Symbolfoto: Ariana Tafur @ unsplash.com

Medien machen Meinung, heißt es. Doch Medien machen viel mehr. Medien steuern das Volk. Haben wir nichts gelernt, fragt man gerne. Offenbar nicht, wie eine kleine Zeitreise zeigt.

Zugegeben, ich tat mich erst ein wenig schwer, diesen Vergleich zu ziehen, doch als ich heute morgen in der Augsburger Allgemeinen die Schlagzeile “Neue Testpflicht: Für Ungeimpfte wird es ungemütlicher” las, war der erste Satz, der mir in den Sinn kam, “Für Juden wird es ungemütlich”. Diesen Satz hatte ich in Bern, der Hauptstadt der Schweiz, im Einstein Museum aufgegriffen und er sollte mir nie wieder aus dem Kopf gehen. Die Staatspropaganda sieht heute genauso aus wie im Dritten Reich. Haben wir denn aus der Geschichte nichts gelernt heißt es immer wieder von politisch links stehenden, wenn es um Kritik an oder wegen Ausländern geht. Dabei war die sogenannte Vielfalt, von Linken gerne Diversität genannt, in Deutschland wohl um ein vielfaches höher als heute. Allein die Vielfalt an Tageszeitungen war schon atemberaubend. Ob Deutsch-Chinesische Nachrichten oder Türkische Post, zahlreiche polnische und russische Zeitungen. Dinge, die ich in meinem Leben in Deutschland außerhalb der Archive noch nicht gesehen habe.

Ich entschied mich für die wohl bedeutendste Woche des letzten Jahrhunderts und deren Aufarbeitung mit den Medien. Erstens, weil jeder genau darüber bescheid weiß, wir alle haben es ja in der Schule gelernt und zweitens, weil niemand genau darüber bescheid weiß, weil wir genau das eben nicht in der Schule gelernt haben. Die bedeutendste Woche war die vom 7. zum 13. November 1938. Hier fand die Reichskristallnacht statt, die quasi als Auslöser für die Judenvernichtung und den Weltkrieg steht. Doch was war eigentlich Auslöser für die Reichskristallnacht oder auch Reichsprogromnacht genannt?

Montag morgen, 7. November 1938, 9 Uhr 35, über Berlin hängen tief die Wolken. Es regnet bei zehn Grad. Doch wir befinden uns nicht in Berlin. Unser Schauplatz ist die Deutsche Botschaft in Paris, wo just zu dieser Zeit ein junger Mann eintritt. Herschel Sebel Grünspan (17) erklärt, er müsse dringend den Botschafter sprechen. Als er den Botschafter trifft, zieht Grünspan einen Revolver und schießt fünf mal. Keine der Kugeln ist zunächst tödlich. Grünspan wird später angeben, er hätte einen Deutschen töten müssen um das Schicksal seiner Eltern und das anderer 17.000 deportierter Juden zu rächen. Grünspan floh im Jahre 1911 aus Polen nach Deutschland. Wer nun denkt, hier läge ein Riss im Raum/Zeit Kontinuum vor, der irrt. Die Judenvernichtung war keineswegs eine Erfindung der Nazis. Und so berichteten die Zeitungen über die Tat und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Seite 1 der Deutsch Chinesischen Nachrichten vom 08.November 1938
Seite 1 vom 8. November 1938 der Pommerschen Zeitung

Am Donnerstag, dem 10. November 1938 berichten die Zeitungen über den Tod des Botschafters. Und über zahlreiche Demonstrationen und Ausschreitungen des Volkes gegen Juden und jüdische Einrichtungen. Die Polizei musste einschreiten, um schlimmeres zu verhindern. Nun möchte ich hier den Wahrheitsgehalt nicht aufarbeiten, immerhin war ich nicht dabei. Die heute einhellige Meinung ist, die Nazis hätten den Volksaufstand angefeuert. Und auch die Meldungen von Reichspropagandaminister Joseph Göbbels, der in den Zeitungen dazu aufrief, jegliche Übergriffe auf Juden sofort einzustellen, wird heute als Propaganda gewertet.

Rheinsberger Zeitung schreibt die strenge Aufforderung von Joseph Göbbels, keine Aktionen mehr gegen Juden durchzuführen

In heutigen Geschichtsbüchern heißt es, am Abend des 10. November habe Göbbels zu Vergeltungsmaßnahmen gegen Juden aufgerufen. In den mir vorliegenden Tageszeitungen aus den Archiven müsste ich eigentlich dazu wenigstens einen Bericht finden. Finde ich aber nicht. Nur die “strenge Aufforderung”, sofort jegliche Demonstrationen und Vergeltungsmaßnahmen gegen Juden und jüdische Einrichtungen gleich welcher Art, einzustellen. Aber auch hier möchte ich keine Wertung abgeben, immerhin will ich in diesem Artikel nicht den Nationalsozialismus aufarbeiten.
Erst am Sonntag berichten die Zeitungen dann über die Vergeltungsmaßnahmen gegen Juden auf Forderung von Hermann Göring. Juden sollen demnach komplett aus dem Deutschen Reich entfernt werden.

Am Sonntag berichten die Zeitungen über die Vergeltungsmaßnahmen gegen Juden

Wenn Sie sich heute über vertuschte Nachrichten ärgern, eine verschobene Berichterstattung, wie Straftaten von Ausländern, die entweder ganz verschwiegen werden oder stark verändert dargestellt werden, dann könnte der Ursprung im November 1938 liegen. Es bleibt nur die Frage, was schlimmer ist? Einen Täter beim Namen, bzw. seiner Herkunft zu nennen oder mit Taschenspielertricks versuchen, aus einem ausländischen Straftäter einen irgendwie gearteten Deutschen zu machen.
Und wenn es um Propaganda geht, so gab es wohl nie ein solches Ausmaß an Propaganda seit dem zweiten Weltkrieg wie heute seit Beginn der Corona-Pandemie.

Von KBA