Es beginnt mit einer Geschichte, die so einfach ist, dass sie unwiderstehlich wirkt. Ein Vater, ein Handwerker mit jahrzehntelanger Erfahrung, und sein Sohn, der sich entschließt, das Familienwissen zu nutzen, um endlich ehrliche, handgemachte Schuhe anzubieten. Die Bilder zeigen raue Hände, die Leder schneiden, Werkbänke in kleinen Werkstätten, das Versprechen von Qualität und Tradition. Doch diese Werkstätten existieren nicht. Die Hände in den Werbevideos gehören Schauspielern, und die Schuhe, die angeblich mit so viel Hingabe gefertigt werden, sind Massenware, für wenige Cent in chinesischen Fabriken produziert und auf Plattformen wie Temu oder AliExpress zu Dumpingpreisen erhältlich.

Exemplarisch die Seite feldluft.de
Angeblich bekannt aus der Apotheken-Umschau und anderen Gesundheitsmedien. Die Schuhe werden in den höchsten Tönen gelobt, von Orthopäden empfohlen. Und das nur für 39,-€.

Und hier der gleiche Schuhe, diesmal im China-Billigversandhaus für 13,29€

Ein Impressum sucht man vergeblich. In der Werbung gibt die Firma vor, in Braunschweig zu sitzen.


Hinter diesen Werbefassaden steckt eine gut geölte Maschinerie des Betrugs. Dutzende, manchmal hunderte Online-Shops werben mit denselben Produkten, jedes Mal mit einer leicht veränderten Geschichte. Mal ist der Vater ein italienischer Schuhmacher, mal ein deutscher Orthopädietechniker, mal ein kranker alter Mann, der nur noch einen letzten Traum verwirklichen will. Die Domains klingen vertrauenserweckend, als wären es kleine Familienbetriebe – “Lederwerk Stuttgart”, “Schuhmanufaktur Hamburg” – doch die Impressums-Einträge führen zu Briefkastenfirmen oder leerstehenden Büros. Die wahren Betreiber sitzen oft in Callcentern oder Hinterzimmern, wo sie systematisch Facebook- und Instagram-Anzeigen schalten, optimiert für maximale Klickraten.

Und dann sind da die Bewertungen. Tausende von ihnen, scheinbar von begeisterten Kunden verfasst. “Beste Schuhe meines Lebens!”, “Endlich keine Schmerzen mehr!”, “Absolut hochwertige Verarbeitung!” Doch wer genauer hinsieht, erkennt das Muster: Die Formulierungen wiederholen sich, die Profile sind neu angelegt, die Fotos gestohlen. Ganze Agenturen verkaufen Fake-Reviews als Dienstleistung, einige sogar mit KI-generierten Texten, die natürlich klingen sollen. Die Plattformen tun wenig dagegen – warum auch? Jeder gekaufte Review, jeder positive Kommentar hält die Maschinerie am Laufen. Die Algorithmen belohnen Engagement, egal ob echt oder manipuliert.

WearBreeze, eine Firma, die vorgibt, in Schottland zu sitzen. Hier habe ich eine Testbestellung vorgenommen. Die Firma windet sich wie ein Aal, wenn es um einen Umtausch geht. Am Schluss wurden mir 90% des Kaufpreises erstattet.

Exakt der gleiche Schuh von Temu. Hier gibt es China-Billigstware zum Niedrigstpreis. Die Schuhe kosten hier noch 12,95€


Am Ende bleibt eine bittere Erkenntnis: Der Betrug ist kein Versehen, sondern ein integraler Bestandteil des Systems. Die sozialen Medien profitieren von den Werbeklicks, die Händlerplattformen von den Verkäufen, und die wahren Opfer sind die Kunden, die auf die Geschichten hereinfallen. Sie warten auf Schuhe, die nie kommen, oder erhalten billige Plastikimitate statt des versprochenen Leders. Und wenn sie reklamieren wollen, ist der Shop längst verschwunden – nur um Tage später unter neuem Namen wieder aufzutauchen, mit derselben Ware, derselben Masche, derselben Lüge.

Es ist ein Kreislauf ohne Ende, solange die Plattformen nicht handeln. Doch solange sich mit jedem Betrug Geld verdienen lässt, wird sich nichts ändern. Die wahre Geschichte hinter diesen Werbeanzeigen ist nicht die eines Handwerker-Vaters und seines Sohnes. Es ist die Geschichte eines Systems, das Lügen belohnt – und jeden Tag aufs Neue zeigt, wie leicht sich Wahrheit verkaufen lässt, wenn nur die Emotion stimmt.

Ein Blick ins Impressum entlarvt schnell Betrüger.
In Europa gelten strenge Regeln für das Impressum. So geht es nicht
Dieser Shop gibt vor, in Berlin zu sitzen. Das Impressum sagt was anderes