Die bayerische Gesundheitspolitische Elite, verkörpert durch Ministerin Judith Gerlach, hat offenbar eine neue Mission: Sie will das deutsche Gesundheitssystem auf einen möglichen Krieg vorbereiten. Ja, Sie haben richtig gelesen – einen Krieg. Denn laut Gerlach und ihrer CSU-Kollegen steht Europa angeblich vor einer massiven militärischen Bedrohung durch Russland. Und was macht man, wenn der Russe vor der Tür steht? Natürlich: Man fordert einen „Zivilen Operationsplan Deutschland“. Weil nichts die Panik besser bekämpft als ein gut durchdachtes Papier.
Doch bevor wir uns in die Rüstungsfantasien der Politik verlieren, sollten wir einen Blick auf die Realität werfen. Denn während Gerlach von „intakter Gesundheitsversorgung“ schwadroniert, die „ebenso wichtig wie die Bundeswehr“ sei, sieht die Wirklichkeit in Deutschland eher aus wie ein dystopischer Film. Krankenhäuser schließen in rasantem Tempo, Ärztemangel auf dem Land ist längst Normalität, und die medizinische Infrastruktur steht kurz vor dem Kollaps – und das nicht erst, seitdem der Russe angeblich wieder mal Europa erobern will.
Nehmen wir zum Beispiel den Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Ein Gebiet so groß wie das Saarland, aber mit gerade mal zwei Krankenhäusern für 100.000 Menschen. Die HNO-Abteilung im Universitätsklinikum Brandenburg? Vor kurzem Geschlossen. Das nächste Krankenhaus mit HNO-Versorgung? Im 40 Kilometer entfernten Hennigsdorf. Und wenn auch das Hennigsdorfer Klinikum dichtmacht, was angesichts der aktuellen Proteste eben dort nicht unwahrscheinlich ist, dann bleibt nur noch Berlin – 70 Kilometer entfernt. Bei einem Massenunfall, auf der A24 durchaus Realität, mit 20 oder 30 Schwerverletzten wäre das System hier schon heute überfordert. Aber hey, Hauptsache, wir haben einen „Zivilen Operationsplan“ in der Schublade.
Und dann die Frage: Was will der Russe eigentlich in Deutschland? Unser marodes Gesundheitssystem? Unsere kaputten Straßen? Oder vielleicht unsere überlasteten Krankenhäuser, die schon im Friedensbetrieb im Limit arbeiten? Gegen Russland – oder gar die Ukraine – sieht Deutschland wie ein Dritte-Welt-Land aus. Wir haben nicht mal genug Ärzte, um unsere eigene Bevölkerung zu versorgen, aber wir machen uns Sorgen darüber, wie wir im Kriegsfall zusätzlich noch verletzte Soldaten behandeln sollen. Das ist nicht nur absurd, sondern auch ein Armutszeugnis für ein Land, das sich gerne als wirtschaftliche und zivilisatorische Großmacht inszeniert.
Die Wahrheit ist: Deutschland ist auf keinen Ernstfall vorbereitet – weder auf einen Krieg noch auf eine Pandemie oder eine Naturkatastrophe. Stattdessen schließen wir Krankenhäuser, sparen am Pflegepersonal und lassen ganze Landstriche medizinisch veröden. Und dann kommen Politiker wie Gerlach daher und tun so, als könne man mit ein paar Plänen und ein bisschen Zivilschutz-Rhetorik die Probleme lösen. Nein, Frau Gerlach, was wir brauchen, sind keine neuen Papiere, sondern endlich eine funktionierende Gesundheitsversorgung – und zwar hier und jetzt.
Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, uns von vermeintlichen Bedrohungen ablenken zu lassen und stattdessen die realen Probleme angehen. Denn wenn der Russe wirklich kommt, dann wird er nicht unsere Krankenhäuser erobern – er wird sie vorfinden: geschlossen, überlastet und völlig unvorbereitet. Und das ist keine Bedrohung von außen, sondern ein Versagen von innen.
Illustration: Klaus Baumdick