Die Bundesregierung bereitet eine der ambitioniertesten Technologieoffensiven der letzten Jahrzehnte vor. Mit einem milliardenschweren Investitionspaket soll Deutschland in sechs Schlüsselbereichen der Hochtechnologie weltweit an die Spitze gebracht werden. Ein internes Strategiepapier aus dem Bundesforschungsministerium offenbart das ganze Ausmaß der Pläne: 5,5 Milliarden Euro sollen in Künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Mikroelektronik, Fusionsforschung, klimaneutrale Mobilität und Biotechnologie fließen. Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) hat den Entwurf bereits zur Abstimmung an die anderen Ministerien gegeben – ein Beschluss könnte schon in der kommenden Woche fallen.
Der Anspruch der Bundesregierung könnte kaum deutlicher formuliert sein: “Neue Technologien ‘made in Germany’ sollen wieder zum Markenzeichen unseres Landes werden.” Dahinter verbirgt sich nicht weniger als der Versuch, Deutschlands Position als führende Industrienation im Zeitalter der digitalen Revolution zu sichern. Die Strategie setzt dabei auf eine enge Verzahnung von staatlicher Förderung und privatwirtschaftlichem Engagement. Öffentlich-private Partnerschaften sollen ebenso zum Tragen kommen wie die Rolle des Bundes als “Ankerkunde” für wegweisende Technologien. Erste konkrete Maßnahmen könnten bereits 2025 starten – langfristiges Ziel ist nichts Geringeres als eine grundlegende Transformation der deutschen Innovationskultur.
KI als Wirtschaftsmotor
Im Zentrum der Strategie steht die Künstliche Intelligenz. Die Pläne sehen “groß angelegte Förderinitiativen für KI-Modelle der nächsten Generation” vor. Hochschulen sollen massiv ausgebaut werden – sowohl was Rechenkapazitäten und Dateninfrastrukturen angeht als auch bei der Vernetzung zwischen Forschungseinrichtungen und Start-ups. Das ambitionierte Ziel: Bis 2030 sollen zehn Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung KI-basiert erzeugt werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie, der Chemiebranche, der Robotik und der Medizin.
Eine entscheidende Rolle spielen dabei die sogenannten KI-Gigafactories, deren Betriebsaufnahme für Mitte 2027 geplant ist. Diese mit EU-Geldern finanzierten Großrechenzentren sollen die notwendige Infrastruktur für den erhofften KI-Boom bereitstellen. Allerdings ist die Standortfrage noch völlig offen: 76 Unternehmen und Organisationen aus 16 EU-Mitgliedsstaaten haben Interesse bekundet, bis zu 60 solcher KI-Fabriken zu errichten. Die EU plant dafür in den kommenden Jahren Investitionen von astronomischen 230 Milliarden Euro.
Revolution der Chipindustrie
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Mikroelektronik. “Wir holen neue Chipfabriken nach Deutschland und etablieren Deutschland als Chip-Produktionsstandort Nummer eins”, heißt es selbstbewusst in dem Strategiepapier. Konkret soll 2026 ein “Kompetenzzentrum Chipdesign” entstehen, das speziell die Entwicklung effizienter KI-Chips vorantreibt. Die Bundesregierung sieht hier eine historische Chance für den Industriestandort Deutschland.
Mindestens drei neue Werke für Ausrüstung und Vorprodukte der Halbleiterfertigung sind geplant, ebenso strategische Partnerschaften mit internationalen Technologieführern. Gleichzeitig soll die Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern reduziert und kritische Technologien im Land gehalten werden.
Quantensprung und Fusionsenergie
Beim Quantencomputing geht die Bundesregierung davon aus, dass bis 2030 “Quantencomputer auf europäischem Spitzenniveau” verfügbar sein werden. Ein neuartiger “missionsgetriebener Hardware-Wettbewerb” soll helfen, dieses Ziel zu erreichen. Forschungseinrichtungen und Hochleistungsrechenzentren sollen beim Kauf von Quantencomputern unterstützt werden – ein Standortwettbewerb soll die besten Kandidaten ermitteln.
Noch früher, bereits 2025, soll der erste deutsche Forschungssatellit zur Erprobung von Quantenkommunikation ins All geschickt werden, ein weiterer folgt 2026.
In der Fusionsforschung hegt die Bundesregierung sogar weltmarktführende Ambitionen. Bis Jahresende soll ein konkreter Plan für den Bau des ersten Fusionskraftwerks in Deutschland vorliegen. Parallel dazu wird die Entwicklung klimaneutraler Energietechnologien massiv beschleunigt – mit Schwerpunkten bei Windkraft, Photovoltaik, Batteriespeichern, Geothermie und Wasserstoff.
Mobilität und Biotech
Im Bereich der klimaneutralen Mobilität zielt die Strategie darauf ab, bis 2035 in Deutschland eine wettbewerbsfähige Batterieproduktion inklusive Recycling zu etablieren. Ab 2026 soll ein Batteriekompetenzcluster den Weg dafür ebnen. Gleichzeitig wird auch die Erforschung von E-Fuels weiter vorangetrieben.
Die Biotechnologie-Förderung soll Deutschlands “Souveränität in der Entwicklung der Medizin von morgen” stärken. Neben medizinischen Anwendungen stehen auch verbesserte Nutzpflanzen und innovativer Pflanzenschutz im Fokus.
Transparenz und Kontrolle
Damit die milliardenschweren Investitionen nicht im Sande verlaufen, setzt die Bundesregierung auf ein ausgeklügeltes Monitoring-System. Ein “360-Grad Hightech-Monitoring” mit digitalen Dashboards soll die Fortschritte in allen Bereichen transparent machen und bei Bedarf Kurskorrekturen ermöglichen.
Die Dimension dieser Technologieoffensive ist historisch. Gelingt die Umsetzung, könnte Deutschland tatsächlich wieder zu einer globalen Führungsrolle in der Hochtechnologie finden. Scheitert sie, droht der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit ganzer Schlüsselindustrien. Die Weichen werden in diesen Wochen gestellt.